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Unterwegs auf dem Camino


Ich verließ die Bar. Die anderen bestellten sich noch einen Kaffee und Wein. Schon seit heute Morgen wusste ich, dass etwas nicht stimmt. Die Sonne schien und es war auch nicht außergewöhnlich kalt. Ein ganz normaler Tag Ende Januar eben. Trotzdem war mir kalt und unwohl. Ich erreichte endlich Pamplona. Die größte Stadt am Jakobsweg. Ich wartete noch eine ganze Weile an der Stelle wo es zur Pilgerherberge der Pilgerfreunde Paderborn abgeht. Die Herberge hatte jedoch geschlossen, also wählte ich die städtische Herberge. Die andern ließen noch immer auf sich warten. Ich hatte genug und lief weiter. Ich nahm die beeindruckenden Mauern die die Stadt umgeben nur im Vorbeigehen war. In der Herberge angekommen bekam ich meinen Stempel und Bettwäsche. Ich duschte, bezog noch schnell das obere Bett und schlief bereits um 16 Uhr ein. Als ich gegen 18.30 wach wurde bemerkte ich die beiden Mexikaner mit denen ich am ersten Tag die Grenze zu Spanien überquerte. Sie erzählten von ihren Erfahrungen, davon dass sie am Vortag bereits eine Ortschaft vor uns übernachteten. „Wir konnten nicht weiter da es bereits dunkel war als wir in Zuribi ankamen“ berichtete Toni abends als ich ihm auf der Straße begegnete. Ich erzählte ihm von meinem kleinen Infekt den ich mir eingefangen hatte. Ich war bereits auf dem Weg der Besserung und lief noch eine Weile durch die belebten Gassen Pamplonas. Ich mochte die Stadt und sie machte Spaniens Nachtleben alle Ehre. Leute liefen umher, gingen essen, trafen sich in Bars oder hielten sich auf den öffentlichen Plätzen auf.“
Es war noch sehr kalt als ich am nächsten Morgen die städtische Herberge verließ. Das Schoko Croissant war so gut, dass ich der Meinung war, man könnte es mit einem Schweizer Schoki Gipfeli vergleichen. Bald lagen die Vororte und die Universität Pamplonas hinter mir. Am nächsten Morgen genoss das alleine Laufen. Ich konnte mein eigenes Tempo gehen. Ich blickte ab und zu zurück. Die Stadt wurde immer kleiner. Ich lief bereits auf Schotterwegen an großen Wiesen vorbei. Es war noch immer sehr kalt. Auf dem hohen Gras neben dem Weg lag noch eine feine Schicht Raureif. Die Sonne ging erst gegen elf Uhr über den Bergen auf. Am Nachmittag, kurz bevor ich die anderen in dem Ort Cizur Menor erreichte, sah ich weit in der Ferne die Windräder auf dem Bergrücken vor mir. Sie standen alle in einer Reihe. Zwei Stunden später stand ich zwischen den Windrädern. Der Blick auf der anderen Seite reichte jetzt noch weiter. Ich versuchte zu erahnen wie weit ich noch laufen werde. Vielleicht war das Tagesziel schon in der Ferne zu sehen. Ich wusste es nicht, da ich die Entfernungen noch nicht gut abschätzen konnte. Beim Abstieg traf ich auf Lee und Ravi. Wir lief eine Weile zusammen und genossen die Unterhaltung. Ich erzählte ihm von meinem gestrigen Tag.
Am frühen Abend erreichten wir Puente la Reina. Spontan wurde beschlossen, dass es heute Abend „German Food“ gibt. Alle waren einverstanden und ich wurde nicht mal gefragt. Ich stimmte zu, dachte mir schnell etwas aus und kam zu dem Ergebnis, dass es Kartoffelbrei mit Karotten, Broccoli und Pute geben sollte. Im Supermarkt in der Stadt kauften wir die nötigen Lebensmittel. Alle haben mitgeholfen und um neun Uhr gab es endlich das Essen. Es muss wohl allen geschmeckt haben denn es blieb nichts mehr übrig. Selbst die Soße wurde mit dem letzten Brot aufgesaugt.
Puente la Reina wurde nach der Brücke benannt, die die Königin von Navarra im 11. Jahrhundert für die Pilger errichten ließ. Wie alle älteren Brücken entlang des Jakobswegs waren die Bogenbrücken aus Stein gebaut. Der Weg verlief überwiegend auf Schotterpisten durch eine hügelige Landschaft. Ich lief vorbei an Wiesen, Olivenbäumen und den ersten Weinreben. Von weitem sah man schon den Ort Cirauqui. Auf einer Anhöhe lag der Ort, umgeben von Wiesen und Feldern. Es ah unglaublich schön aus. Fast wie gemalt. Im Vordergrund ein dunkelbraunes Ackerfeld. Dahinter drei bis vier Reihen Olivenbäume . Daneben ein paar Weinreben.

Die meisten Kirchen sahen von außen alle gleich aus. Nur im Detail unterschieden sie sich. Mal war das Gebäude größer, der Turm höher oder die Fenster größer. Die meisten jedoch waren alle im selben Still gebaut: gotisch. Auch mein Lieblingsstiel. Ich bewundere immer das Innere, die hohen Decken und die Steinverzierungen.
Der Weg führte in der Stadt steil bergauf. Oben angekommen rastete ich neben der Kirche. An dem schmalen Durchgang lag ein Stempel bereit mit dem man sich selbst den Pass abstempeln konnte.
Nur kurz nachdem  ich die Ortschaft verlassen hatte führte der Camino auf einer Original erhaltenen alten Römerstraße. Links und rechts  begrenzten große Steine die alte Straße. Der Weg selbst war nicht sehr breit, jedoch breit genug dass man mit einem Karrenwagen fahren konnte. Die Straße selbst bestand aus Steinen die kleiner als die Begrenzungen außen waren und stark geprägt waren vom Zahn der Zeit.
Am späten Nachmittag betrat ich zusammen mit Luma eine alte Kirche. Draußen auf der Wiese standen mehrere Holzbänke weit verstreut und ungleichmäßig angeordnet. Das alte Steingebäude der Kirche und die Bänke waren umgeben von alten Olivenbäumen, an denen noch ein paar Oliven der letzten Ernte hingen. Ich öffnete den alten verrosteten Metallriegel der Kirchentüre. Er klemmte etwas. Als wir eintraten standen wir in dem fast leeren Kircheninneren. An der Außenmauer standen Steinbänke und weiter vorne ein einfacher Steinaltar. Auf diesem lagen verschiedene Zettel die mit Steinen oder anderen Gegenständen beschwert waren. Ich fand die unterschiedliche Sprüche und Anregungen darauf. Manche bedankten sich für etwas, andere nahmen Abschied von Menschen und andere wiederum teilten ihre Gedanken und Erfahrungen mit.
Erschöpft und mit brennenden Füßen trafen wir am Abend, kurz bevor es dunkel wurde, in Estella ein.
Ein weiterer schöner Ort. Ich nutzte das Abendlicht um ein paar Nachtaufnahmen zu machen. Mit der Kamera, einer Tafel Schokolade und einer Flasche Bier lief ich mit Luma durch die Gassen der Stadt. Nach Pamplona die erste Stadt in der wir abends auf Menschen trafen. Die kleinen Dörfer die wir Tagsüber passieren schienen wie ausgestorben zu sein. Nicht selten  durchquerten wir mehrere Ortschaften ohne auf eine Menschenseele zu treffen.
Nur ein paar Kilometer nachdem Estella hinter uns ließen trafen wir auf das Weingut: „Irach“. Für durstige Pilger standen dort zwei Wasserhähne zur Verfügung an denen man sich kostenlos bedienen durfte. Aus einem floss Wasser, aus dem anderen Wein. So kam es, dass ich bereits um kurz nach halb zehn Uhr den ersten Alkohol spürte. Heiter und voller Eifer lief ich durch die schöne hügelige Landschaft Navarras. Im nahe gelegenen Weinmuseum bekam ich Postkarten geschenkt und einen Stempel in den Ausweis.
Die Landschaft wurde in den folgenden Tagen immer flacher. Ich lief auf Schotterwegen, die umgeben waren von abgeernteten Feldern und Wiesen. Die Sonne schaute immer wieder zwischen den Wolken hindurch und bot mir perfektes Licht für tolle Aufnahmen. Mal waren die Wolken am Himmel tief dunkelgrau bis fast schwarz. Ein anderes Mal brach das Sonnenlicht durch die Wolken durch. Was für tolle Kontraste das waren.
Am 8. Wandertag passierte ich nach 169 Kilometer Logrono. Die bis dahin zweitgrößte Stadt auf dem Weg. Am frühen Abend stellte ich mein Zelt nahe einem großen Stausee auf. Es war ein schöner Platz mit Blick auf den See, der mit Schilf umgeben war. Es war seit acht Tagen auch die erste Nacht in der ich kein Schnarchen hörte und die erste in der ich durchschlief. Die Temperaturen lagen draußen weit unter Null, doch mein neuer Daunenschlafsack reichte bis -6 Grad.Am Abend schnatterten die Enten am See als die Sonne das Schilf orange färbte. Ein kurzer Wandertag mit nur 15 Kilometern neigte sich dem Ende entgegen.





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