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Die letzte Wildniss Schottlands


50 Kilometer lagen vor mir bis ich Inverie am Loch Nevis erreichte. Der Weg war definitive der auf den ich mich am meisten freute. Der Wanderweg war nicht beschildert, ich musste mich selbst an hand der Karten orientieren. Auch schon zuvor als ich Richtung Glen Affric lief. Den ersten Teil lief ich anders als die meisten, die entlang am selbigen See liefen. Ich dagegen kam über einen Sattel der mich am westlichen Ende zum See führte.

Die größte Vorfreude galt jedoch der Knoydart Halbinsel, die letzte Wildnis wie sie in Schottland selbst genannt wird. Zu erreichen nur per Boot oder mehrer Tage Fußmarsch sind zu absolvieren. Dort gibt es keine Straßen.

Der Nebel hing noch tief als ich über den Zaun kletterte und den Zeltplatz hinter mir gelassen habe. Nur wenige Zelte standen dort. Am Wochenende soll es anders werden hat mir einer erzählt. Dann kommen die Menschen aus den Städten zum „hill-walken“. Manche sind besonders scharf darauf möglichst viele Munros an einem Tag zu überqueren. Fast schon ein eigener Sport für sich. Ich hatte bis jetzt noch keinen Munro bestiegen. Das Wetter war bisher nicht gut genug. Ich wollte mir das aufheben für Knoydart.

Vor mir lag eine etwa 10 Kilometer Etappe. Nichts großes aber dennoch musste ich einen Pass überqueren. Serpentinen führten den steilen Anstieg hinauf zu einem See auf dem Pass. Ein bisschen war ich überrascht wie schnell ich den Anstieg bewältigte. Ich stoppte dennoch oft, genoss die Ausblicke in das breite Tal dass ich links hinter mir liegen gelassen habe. Für kurze Momente verzogen sich die Wolken und ich hatte freie Sicht auf die kahlen Bergespitzen. Im T-Shirt lief ich die letzten Höhenmeter. Der Wind nahm zu, wurde so stark das sich meine Haare auf der Haut stellten. Regen kam hinzu. Er zog vom Tal in das ich bald absteigen sollte auf. Trotzdem war mir nicht kalt. Noch nicht. Jetzt stürmte es. Hinter einem Fels fand ich etwas Schutz und zog gleich die Regenjacke über. Zur Stärkung gab es etwas Käse und Nüsse die ich aus dem Deckelfach des Rucksacks kramte. Der Wind peitschte weiterhin. Als ich weiter lief um den Pass hinter mir zu lasen und abzusteigen lief ich gegen den Wind. Dies ist das unangenehmste was passieren kann. Der Regen kommt schräg und man läuft praktisch die ganze Zeit mit gesenktem Blick zum Boden hin. Kurze unangenehme Blickte musste ich dennoch in kauf nehmen. Einmal um mich kurz zu orientieren und um für kurze Moment die Landschaft zu sehen. Sie war nicht weniger spektakulär.

Am Abend erreichte ich eine Bothy. Ich blieb dort über Nacht. Bei der Ankunft war ich der einzige. Die Schutzhütte hatte drei Zimmer: zwei Schlafräume und ein Aufenthaltsraum mit Feuerstelle. Die beiden großen Räume wirkten etwas dunkel, einer hatte einen Dielenboden, der andere Steinboden. Vermutlich noch die Originalen. Die Hütte war ein Überbleibsel einer Farm  aus dem 1900 Jahrhundert. Hillwalker haben sie wieder hergerichtet. Ich sammelte noch etwas Feuerholz und konnte mich am Abend am Feuer wärmen.

Der nächste Tag war definitiv der schwierigste auf dem Weg nach Inverie.  Die Wettervoraussage vom Vortag versprach kein gutes Wetter für diesen Tag. Um so überraschte war ich als ich von meiner Britsche auf der ich im Schlafsack lag aus dem Fenster schaute. Blauer Himmel so weit ich sah. Nur vereinzelte kleine Wolken am Himmel. Um genug Zeit zu haben bin ich früh aufgebrochen.

Um sicher zu sein das ich gegen Süden lief warf ich einen kurzen Blick auf den Kompass den ich in der kleinen Tasche des rechten Hüftgurts aufbewahrte. Meine Vermutungen vom Vortag stimmten überein. Ich lief auf einer Heidewiese direkt auf eine Anhöhe hinzu. Dort stieß ich auf einen alten Track, der vermutlich mal eine Zufahrtstrasse zum Farmgebiet war. Nicht mehr viele ist von im übrig.

In Schottland gibt es unglaublich viel Rehe und Hirsche. Schon des Öfteren habe ich Wild gesehen. Hier hatte ich aber eine ganz besondere Erfahrung. Zwei Rudel, mit mindestens über zwanzig Tieren überquerten vor mir den Weg. Dies war aber nicht ganz so einfach da die Tiere zuvor einen vor sich hin rotteten Zaun überqueren mussten. Einige Drähte waren noch mit ein paar Pfosten verbunden. In Panik suchten sie nach einem Ausweg. Nachdem sie den Zaun erfolgreich hinter sich hatten rannten sie auf der gegenüberliegenden Seite auf einem Bergrücken entlang. Geschätzt ein guter Kilometer zog sich dieser immer weiter weg vom Weg auf dem ich mich befand. Ich konnte die Tiere klar und deutlich erkennen wie sie in kleinen Gruppen zu den anderen Tiere liefen. Es dauerte mindestens eine viertel Stunde bis alle Tiere wieder beisammen waren.

Der Weg verlief entlang an einem Fluss der wie fast alle in ihrem  natürlichen Lauf vor sich hin fliesen. Auf der anderen Flussseite wuchs ein dicht bewachsender Wald. Am Rand konnte ich ein Paar Steinmauern ausmachen. Der Wald erobert sich erfolgreich auch dieses Überbleibsel der Highlander zurück.

Die Zeiten als die Highland Clans noch hier in den Glens (Täler) lebten war  eindeutig eine andere. Kämpfe um Reviere und Macht unter den Clans waren an der Tagesordnung. Viel dramatischer und noch mehr Menschen wurden getötet zu der Zeit der Higland Clerance.  Es gab mehrer Zeitpunkte an denen die Geschehnisse stattfanden. Als die Highlander an Übermacht gewannen wurden sie einfach von den Engländern verbannt oder getötet. Was die Schotten bis heute nicht vergessen haben ist als ein ganzer Clan im Glen Coe im Schlaf umgebracht wurde. Engländer aber auch ein Clan waren dabei beteiligt. Viele Menschen mussten seinerzeit ihr Land verlassen um Platz für Schafe zu machen. Eine unglaubliche Vorstellung.  Auch auf Knoydart. Etwa 400 Menschen wurden per Schiff umgesiedelt.

Nachdem ich den Fluss rechts hinter mir gelassen habe, stieg der noch zu Beginn deutliche erkennbare Weg an. Mit der Zeit verlief sich der Weg im Nichts und ich suchte mir selbst den Weg zu einem Sattel, der gute 2 Kilometer vor mir lag. Das einzige was hier noch an Zivilisation erinnerte waren die Oberleitungsmasten die den Strom in den Westen liefern. Viele Haushalte sind davon abhängig. Wolken zogen auf die den noch zuvor blauen Himmel bedeckten. Es sah nach Regen aus. Vorerst blieb es trocken. Oben auf dem Sattel wehte abermals ein heftiger Wind, sodass ich dort nicht lange verweilte und hinab in das Tal vor mir stieg. Es fiel nur ganz langsam ab und zog sich in die Länge. Immer wieder stoppte ich und schaute zurück. Als ich nach einer ganzen Weile zurückblickte, konnte ich den Strommast auf dem Pass von zuvor ausmachen. Er war nur noch als kleiner Punkt zu sehen. Vor mir erstreckte sich die Hochebene die ich am Nachmittag überquerte. Zuvor jedoch fiel der Weg jetzt etwas steiler bergab. Kurz bevor ich eine Ansammlung von Ruinen erreichte nahm ich den stechenden Geruch von Verwesung war. Auf der anderen Seite einer kleinen Schlucht die gesäumt von Birken war sah ich die zwei Kadaver auf einer Anhöhe liegen. Auch dieses Mal waren es ein  Hirsche bzw. ein Reh.

Vor mir lag der größte Fluss den ich auf dieser Etappe zu durchqueren hatte. Während bzw. nach heftigen Regenfällen kann das Furten zur Herausforderung werden. Bei dem Zeitpunkt als ich an dem Ufer stand war der Wasserstand jedoch so niedrig dass es nicht einmal nötig war die Schuhe auszuziehen. Ich Suchte mir dafür eine seichte Stelle und balancierte über die Steine die aus dem Wasser ragten.

Die Wolken zogen immer mehr auf als ich auf der weiten Hochebene lief. Von hier oben Überblickte ich das erste mal den Loch Beag, der später nahtlos in den Loch Hourn Übergeht. Eine grandiose Fjordlandschaft.

Noch ein kleiner letzter Pass auf dieser langen anstrengenden Etappe und der Abstieg nach Kinloch Hourn folgte. Bei dem extrem steilen Abstieg auf dem erst kürzlich planierten Fahrweg fing es immer heftiger an zu Regnen. Kurz bevor ich ankam durchquerte ich einen unglaublich schönen Wald. Vor allem der Kontrast zu den kahlen Landschaften der Etappe zuvor ließen mich staunen. Der Rododendrohn wucherte Meter hoch. Nadelbäume wuchsen deren Stämme so dick waren wie kein Baum den ich bisher in Schottland sah. Am meisten erstaunt war ich jedoch beim Anblick der gewaltigen weißen Eukalyptusbäume die auf jeden Fall mit denen in Australien und deren Größe mithalten konnten.

Als ich unten im Tal das Zelt aufstellte, dachte ich zurück an den Fluss den ich zuvor überquerte. Draußen schüttete es aus Eimern. Jetzt wäre es definitiv eine Herausforderung ihn zu Furten. -Mit Sicherheit waren zum jetzigen Zeitpunkt alle Steine unter Wasser-  ging es mir durch den Kopf.

 

Jetzt begann der eigentliche Abschnitt Knoydart. Als ich am Morgen wach wurde regnete es nicht mehr und ich konnte das Zelt fast komplett trocken einpacken. Für eine kurze Zeit schien sogar die Sonne, sodass ich den Footprint fast komplett trocken bekam. Gegen Zehn Uhr bin ich an diesem Tag aufgebrochen. Die Wolken nahmen dabei wieder etwas zu. Ich ließ die Kinloch Hourn Farm hinter mir, lief entlang am Ufer und kam zu einem Wendeplatz. Dort führte der Weg auf einem kleinen Pfad weiter entlang am Wasser. Dichter Rhododendron hing tief in den Weghinein, sodass ich mich an einigen Stellen extrem bücken musste um durch zu kommen. Das Regenwasser auf den Blättern tropft auf mich herunter. Das Vorrankommen war schon ein Abenteuer für sich.

Durch den Regen vom Vortag stand das Wasser auf dem Track. Eine wahre Herausforderung für das Material. Geschickt versuchte ich möglichst auf die Stellen zu treten auf denen so wenig Wasser wie möglich stand. Trockene Stellen gab es nicht, wenn es kein Wasser war dann war es Matsch in dem ich  lief und einsank. Der Track selbst war sehr schmal und Büsche, Gräser und Farne wucherten in den Weg hinein. Am Ufer des Fjords konnte ich in weiten Abständen voneinander Häuser ausmachen. In vergangenen Tagen wurden diese von den Highlander erbaut und bewohnt. Heute sind diese Häuser in Privatbesitz und werde als Ferienhäuser vermietet. Gegen Nachmittag fing es an zu regnen. Es regnete immer stärker und hielt an. Mit gesenktem Blick lief ich weiter Richtung Barrisdale. Eine Ansammlung von Häusern. Auch diese erbaut von den  Highlander. Hier herrschte damals das pure Leben. Die Gegend war gut für Haferanbau und Kartoffelanbau. Heute lebt nur noch der Jäger mit seiner Frau das ganze Jahr über hier. Bei meiner Ankunft am frühen Nachmittag fand ich unterschlupft in der Bothy. Einige Hillwalker erzählten mir bereits von der „5 Star  Bothy with flush Toilets and even Light“. Es war Wochenende. Die Bothy also gut besucht trotz des anhaltenden Regen. Ein Paar war mit deren Seekajaks hierher gekommen. Die anderen zu Fuß wie ich. Es herrschte eine gemütliche Stimmung. Alle saßen um einen großen Holztisch auf Stühle und Bänke. Die Nasse Kleidung und der Dunst sorgten für ein feuchtes Raumklima. Der Wasserdampf setzte sich auf den weißen Holzpanelen der Wände ab und bildete sich zu Tropfen. Ab und zu wurde einer der sieben Gaskocher angezündet um Tee oder Suppe zu kochen. Ich habe noch nie so viele Kocher auf einem Holztisch in Gebrauch gesehen. Heizung inklusive.

Draußen  wurde der Regen fast senkrecht vom Wind gegen die Hauswand gedrückt. Einige übernachteten sogar im Zelt. Das Paarchen mit den Seekajaks kehrten nachts zurück in die Schutzhütte da das Zelt unter Wasser stand so wütete es dort draußen. Auch am nächsten Morgen sah es nicht besser aus und ich lief abermals mit gesenktem Kopf in Richtung Inverie. Dort fand ich zusammen mit einem Engländer Unterschlupf in einem Pub. Später in Mallaig erfuhr ich das es sich dabei um den abgelegensten Pub vom ganzen vereinigten Königreich handelte.

Ich freue mich immer wenn ich die Möglichkeit habe mit einem Speedboat mitzufahren. Ein kleines Motorboot, das sehr schnell über das Wasser düst. Das schöne ist wenn der Bug nach oben kommt und das Heck einsinkt. Das kommt zustande wenn die Schraube des Motors das Wasser anzieht und es nach hinten wieder ableitet. Umso schneller umso steiler kommt der Bug nach oben. Zu viert setzten wir mit dem Boot nach Mallaig über. Ich hatte dabei die Hoffnung Delfine oder vielleicht auch Roben zu sehen. Leider ohne Erfolg.

Schon beim ansteuern des Hafens konnte ich erkennen das Mallaig ein schöner kleiner Ort ist.

Ich bezog  ein Bett im Tea Room. Ich brauchte dringend eine Dusche und trockene Kleidung…


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