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Europa mit dem Rad


Es war so ungewohnt für mich auf dem Rad zu sitzen, das ich von der Umgebung nur wenig mitbekam. Ich war zu beschäftigt mit den ganzen Ampeln, Autos und den Kreisverkehren die nicht mehr zu enden scheinen wollten. Außerdem zog alles so ungewohnt schnell an mir vorbei, sah ich etwas war es im nächsten Moment auch schon wieder verschwunden. Zu viele für mich, ich war noch an das Laufen gewöhnt und deren Langsamkeit.

 

Ein paar Stunden später wurde die Straße etwas ruhiger und die Wohnblocks und Industrieviertel waren auch größten Teils verschwunden. Nach 30 Kilometer stoppte ich das erste Mal. Normal wären jetzt meine normalen Tageskilometer erreicht. Ich spürte deutlich meine Knie und mein Steißbein meldete sich auch. Auf einer Mauer ruhte ich mich kurz aus bevor ich weiter fuhr. Nach einem kleineren Berg erreichte ich nach der Abfahrt Setubal. Um weiter südlich zu kommen fuhr ich mit der Fähre auf die andere Seite der Lagune die vor mir lag. Nach einigen Kilometer stoppte ich und beendete meine erste Tagesetappe mit etwas mehr als 60 Kilometer. Ich war geschafft und baute das Zelt an einem ruhigen abgelegenen Strand mit Blick auf die Lagune auf.

 

Es gab nun zwei Möglichkeiten um mit der Fähre nach Marokko zu kommen. Die schnellste von Algeciras aus nach Ceute oder die deutlich längere nach Barcelona und von dort aus nach Tangier in Marokko. Ich dachte an Algeciras da der Blick auf der Karte nach Barcelona abschreckte. Es war immer hin eine Differenz von 1200 Kilometer die ich mehr nach Barcelona fahren müsste. Ich war mir also sicher die kürzere Variante zu nehmen, besonders nach meinen ersten Tagen mit Muskelkater und Kondition Schwierigkeiten. Nach ein paar Tagen fühlte ich mich doch schon deutlich besser. Ich fuhr Landeinwärts, entschied mich nicht für die Küste. Nach drei Tagen war ich bereits schon hinter Beja und bald darauf in der Algarve.  Nach Beja passierte ich keine größeren Orte mehr, Getreidefelder reichten bis weit in der hügeligen Landschaft. Auf den Strommasten nisteten Storche in einem Ausmaß wie ich sie selbst noch nie gesehen hatte, Manchmal folgten drei vier Nester nacheinander. Auf großen Masten befanden sich bis zu drei Nester gleichzeitig. Mittlerweile war ich so fit das ich am Tag zwischen 100 und 110 Kilometer zurück lag. Das entsprach fast vier Tagesetappen die ich die letzten Wochen zu Fuß zurücklegte. Mir ging es gar nicht darum in den Ortschaften Anzuhalten und mich umzuschauen wie ich es auf der Pilgerreise gemacht hatte. Ich stoppte abends um mir essen und Wasser zu kaufen. Ich wollte nur Radfahren und das lange und große Distanzen zurücklegen, dabei die Landschaft genießen. Zeit zum Nachdenken gab es natürlich auch noch genügend.

 

 

 

Meist fuhr ich bis um sieben Uhr. Vor zwei Jahren hatte ich noch eine Solardusche. Ich brauchte dazu einiges Wasser um zu duschen. Jetzt erledige ich das mit einer 2 Liter Wasserflasche. In den Deckel mache ich mehrere kleine Löcher und voila fertig ist die tägliche Dusche.

 

 

 

Ich war ganz erstaunt wie wenig Berge es doch im Hinterland gab. Ich hatte zwar ständig Hügel zu bewältigen jedoch keine großen wie ich erst dachte. Die Landschaft war weit geprägt mit Büschen, vereinzelt Pinien und Olivenbäume. Die letzten Kilometer in Portugal fuhr ich parallel zur Spanischen Grenze die zwischen 5 und 20 Kilometer östlich lag. Schon von weitem sah ich die Windkrafträder die auch in einigen Abschnitten entlang am Camino de Santiago im Norden Spaniens dominieren. Am meisten wohl auf der Hochebene der Miseta. 

 

 

 

Die letzte Stadt in Portugal die ich erreichte war  Vila Real de Santo Antonio. Somit durchquerte ich Portugal komplett von Nord nach Süd. In einem Souvenirladen kaufte ich bei einem Verkäufer der aus Bangladesch kam meinen ersten Aufkleber für den Rahmen des Rades. Die erste Flagge war also portugiesisch, entsprach nicht ganz meiner Vorstellung und auch nicht denen der richtigen Flagge. Ich konnte jedoch kein anderen bekommen und nahm ihn mit.

 

 

 

Eine rasante Fahrt war die als ich Portugal verließ. Es gab nur eine Brücke über den Grenzfluss die eigentlich nicht für Radfahrer erlaubt war. Die nächste Brücke befand sich jedoch nördlich und ich wollte nicht noch einmal zurück. So entschied ich mich die knappen 5 Kilometer auf der Schnellstraße zu fahren die später zu Auto Via in Spanien wurde. Auto Via ist nicht erlaubt für Fußgänger und Radfahrer. In Portugal sind sogar noch Karren auf den Schildern zu sehen, da sie noch viel im Hinterland mit Eseln benutzt werden. Die Zeit schien dort stehen geblieben zu sein. Ich dachte bei dem Anblick des Schildes zurück an ein Gespräch das ich in Lissabon einige Wochen zuvor führte. Es hieß das erst 1974 Autos offiziell weiter verbreitet wurden. Ich wunderte mich nicht über deren rasante Fahrweise.

 

 

 

Ich fuhr also auf der Schnellstraße auf die Brücke zu. Was ich von der Ferne noch nicht sah dass die Fahrbahn genau wie die 25. April Brücke in Lissabon mit Stahlseilen gehalten wurde. Ich passierte gerade den großen Parkplatz des alten Grenzposten Portugals als ein Polizeiauto an mir auf dessen Parkplatz vorbei fuhr. Sofort klingelten alle Alarmglocken und ich war bereit mich dumm zu stellen und von nichts eine Ahnung zu haben. Das Auto bremste langsam ab. Im nächsten Moment nahm ich ein weiteres Auto wahr das  nahe der Ausfahrt stand. Ich hatte Glück dieses Auto sollte die Aufmerksamkeit der Polizei bekommen nicht ich. Ich fuhr schnell über die Brücke und konnte dabei das laute Aneinanderschlagen der Drahtseile hören. So war ich nun also zurück in Spanien, in der Provinz Andalucia. Ich fuhr vorbei an endlosen Orangenfeldern die jedoch zumeist schon abgeerntet waren. Wenn ich einzelne bestände sah, stoppte ich. So wie ich das Land erreicht hatte wurde bereits gleich wieder lauter gesprochen, das erste was mir auffiel und unüberhörbar war. Nachdem ich Huelva passierte, erreicht ich nach einer weiteren Tagesetappe Sevilla, eine Stadt die mir schon bekannt war vom Hören und Sagen. Hier beginnt ein weiterer Camino de Santiago. Die Via de la Plata, der wohl härteste und längste Pilgerweg durch das karge Inland mit etwa 1100 Kilometern.

 

 

 

Nach nochmaligem hin und herüberlegen war ich mir nun doch sicher die lange Route nach Barcelona zu nehmen auch wenn ich dafür deutlich mehr Zeit brauche. Ich nahm sie mir die Zeit.

 

 

 

Nach weiteren 150 Kilometer erreiche ich abends den Flughafen von Cordoba wo ich unweit eines breiteren Flusses mein Zelt aufschlug. Schon am Vortag habe ich vom schlechten Wetter gelesen das über das Wochenende kommen sollte. Zwei Tage Regen war angesagt und für mich waren das zwei Tage Auszeit. Am ersten Tage verbrachte ich einige Zeit in einem Vorort von Cordoba. Einkäufe und Akku laden stand an. Den zweiten Tag verbrachte ich ausgiebig mit lesen und ausruhen was meinem Körper wohl ganz gut tat.

 

 

 

Die Kathedrale von Cordoba war etwas Besonderes, erste Anzeichen von arabischem Einfluss waren zu sehen. Die Torbogen waren deutlich mehr als halbrund und die Ornamente mit denen die Fassade verziert waren.

 

 

 

Die folgenden Tage war der Himmel meist bewölket. Die Schotten öffneten sich nur kurzzeitig aber heftig mit Donner und Blitz.

 

 

 

Der Nord Osten ist bekannt für seine Oliven. Drei Tage lang fuhr ich gut 250 Kilometer an nichts anderem vorbei als Olivenbäume die sich bis zum Horizont auf den Bergrücken erstreckten. Erst am Abend des zweiten Tages sah ich die ersten Gebirge an denen ich vorbei fuhr.

 

 

 

Zwischen der Provinz Albacete und Valencia reichten mehrere Gebirge empor die ich auch zum Teil überquerte. Die Olivenbäume verschwanden zu meist. Mandelbäume und überwiegend Pinien dominierten jetzt das Landschaftsbild. Ich stoppte gelegentlich und knackte die Kerne der Mandel um sie zu essen. Die Neuen Früchte waren bereits am Reifen. Der Kern bzw. Schale war noch grün und die Nuss selbst noch weich wie Schelle.

 

 

 

Kurz vor Valencia kam ich mit Franzisco ins Gespräch der mit dem Rennrad unterwegs war und auf dem Weg in die Stadt. Ich entschied mich spontan mit ihm zu fahren. Er kannte alle Wege und so umfuhren wir die Nationalstraße zu meist. Ich blieb nur den Tag über, schaute mir die Stadt etwas an und verließ sie am Abend wieder. Ich fand einen schönen Zeltplatz direkt am Strand. Am nächsten Morgen tauchte die Sonne aus dem Mittelmeer. Nur drei Stunden später knallte die Sonne bereits wieder vom Himmel herab. Die Temperaturen sind seit dem ich Lissabon verließ deutlich gestiegen. Das längste Stück hatte ich nun hinter mir und mir blieben noch ca. 400 Kilometer bis Barcelona.

 

 

 

Zwei Tage später saß ich beim Zahnarzt in einer kleinen Praxis am Meer. Schmerzen hatte sich gemeldet und das Loch musste zu.

 

 

 

Kurz vor Taragona, zwei Tage bevor ich Barcelona erreichte sah ich schon von weitem einen Radfahrer. Erst war ich mir sicher keine Paktaschen zu sehen. Als ich jedoch näher heranfuhr erkannt ich tatsächlich keine Packtaschen sondern zwei ausgebleichte etwas größere Hartschalenkoffer die an einem Gepäckträger befestigt waren. Paolo, der 60 jährige Radfahrer grüßte. Es stellte sich heraus dass er alles am Rad selbst zusammen gebaut hatte. Die Koffer kaufte er in Skandinavien von einem Japaner für 20 Euro ab. Der Rest ist eine unglaubliche Geschichte. Er verkaufte alles was er besaß und reist jetzt mit dem Rad umher. Gerade kam er aus Valencia wo er für sechs Monate arbeitete nachdem er aus Südamerika wieder kam. Wir beschlossen zusammen bis Barcelona zu reisen. Er war schon der vierte Radreisende den ich sah. Die anderen fuhren alle in die andere Richtung und hatten keine Geschichte wie er. Paolo erzählte mir viel von seinen Erfahrungen, auch von Marokko wo er schon zweimal war. Jedoch weiter südlich schaffte er es noch nicht. Fand aber toll was ich vorhabe.

 

 

 

Da ich nur mit drei Taschen unterwegs war kam ich deutlich schneller voran als er, was aber nichts ausmachte. Ich nutze die Zeit wenn ich auf ihn wartete um Bilder zu machen. So auch bei den letzten Kilometer bis Barcelona als drei Anstiege entlang der Küste mit Meerblick folgten. Das letzte Stück selbst auf der Auto Via (es gab wirklich nur eine Möglichkeit und wer weiß ob wir diese überhaupt gefunden hätten) war ein Erlebnis für sich. Bis zu fünf Spuren und Autos Busse und LKw´s in Massen

 

 

 

Am Abend erreichten wir die Stadt und tranken gemeinsam noch ein Bier am Port Vell mit den letzten Sonnenstrahlen. Paolo fuhr noch weiter bis kurz nach Badalona wo er zeltete.

 

 

 

Ich fuhr dagegen auf der total überfüllten La Rambla zum Ideal Hostel indem ich für drei Nächte blieb. Es gab noch einiges zu organisieren und ich wusste nicht wie schwer es sein wird alles zu bekommen. Doch gleich am ersten Tag bekam ich die nötigen Landkarten in einem Kartenladen für Marokko und Mauretanien. Auch die Ersatzteile für das Rad konnte ich bekommen. Passfotos für die Visa hatte ich auch noch machen lassen und er Rest erledigte sich wie von selbst.

 

 

 

Sogar ein gratis Konzert gab es dann noch am Samstagabend beim Port Vell.

 

 

 

Die Stadt bot einiges zu sehen und so schnappte ich mir das Rad und fuhr entlang auf den Straßen und Gehwegen. Barcelona hat 1,5 Millionen Einwohner wobei die meisten auf den Straßen wohl Touristen waren. Ich habe noch keine so überfüllten Straßen gesehen wie hier. Das Vorankommen war einfach nur nervend. Wie ich die Ruhe und Gelassenheit Lissabons vermisste.

 

 

 

Heute Abend um Mitternacht geht nun die Fähre nach Tangier. Am Dienstag komme ich dort an. Ich habe zusätzlich noch eine Innenkabine für die 35 Stunden Überfahrt.

 

 

Ich bin schon mächtig aufgeregt was mich in Afrika erwarten wird, was es auch ist es wird anders sein als die Monate hier in Spanien und Portugal verbrachte…






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