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Auf dem Caminho Portugues nach Porto


Nach meiner Rückkehr verbrachte ich nochmal einen ganzen Tag in Santiago. An meinem letzten Abend in der Herberge Santo Santiago traf ich auf Tobias. Er war von Porto nach Santiago gelaufen. Ich mochte seine ruhige Art. Er lebte die letzten Monate in verschiedenen europäischen Klöstern Außer die Stadt anzuschauen, schrieb ich noch Postkarten, Berichte und holte ein Paket mit den Sommersachen das postlagernd auf dem Postamt auf mich wartete ab. Nach einem Kaffee in einer Bar in der ich vor einigen Tagen gemeinsam mit der Gruppe das Abschlussessen hatte, bestellte ich noch einen Café con Leche und aktualisierte Berichte und Bilder auf der Homepage. Ich pilgerte vom Vorplatz der Kathedrale los, aber jetzt zum letzten Mal. Ich lief durch die schmalen Gassen, entlang dem Parque da Alameda und verließ Santiago auf schmalen kleinen Straßen. Dort sah ich zum ersten Mal einen blauen Pfeil als Wegweiser.
Ich war noch nicht allzu lange unterwegs als mir die ersten Pilger entgegenkamen. Ein Deutscher mit zwei Spanierinnen. Wir konnten uns gegenseitig austauschen, und so berichtete ich von dem „Camino de Finisterra“ und die drei vom „Caminho Portugues“.
Der Weg führte mich auf Schotter vorbei an Feldern und durch Eukalyptuswälder; bald auch einen längeren Abschnitt auf Teerstraßen. Die Bauart der Kirchen war hier jedoch anders und erinnerte mich ein bisschen an den Khmer Stil der Tempel in Asien; zumindest deren Türme. Es sah so aus als ob die Kuppel aus ganzen Steinblöcken gebaut wurde. Auch die Verzierungen erinnerten ein bisschen daran. Am Abend erreichte ich den Ort Padron am Fluss Sar. Er zählt zu einem der wichtigsten Orte entlang dem Camino. Am Ufer soll das Boot, mit dem der heilige Jakobus über das Mittelmeer gebracht wurde, gestrandet sein. Von dort aus wurde er mit einem Karrenwagen zum heutigen Santiago gefahren. Der Originalstein, an dem das Boot festgemacht wurde, befindet sich heute unter dem Altar der Jakobuskirche. Am Vorabend gab es  keine Gelegenheit den Stein zu sehen da gerade eine Messe stadtfand. Am Morgen danach als ich von einem Abstecher zurückkam, hatte ich die Möglichkeit den Stein zu sehen. Ich lief gerade auf den Altar zu als zwei Frauen eifrig darauf zeigten. Sie öffneten zwei Holztüren. Ca. ein Meter unterhalb des Bodens stand der Stein, der schon von den Römern als Altar benutz wurde. Die Inschrift des Steines deutete wahrscheinlich auf den Beginn der Evangelisierung Spaniens durch den Apostel Jakobus.
Die Kilometerangaben auf den Steinen waren jetzt rückläufig angebracht. Die Wegbeschreibung der blauen Pfeile war jedoch nicht immer ganz klar. In der entgegengesetzten Richtung waren die gelben Pfeile fast immer deutlich zu sehen. Dies half mir jedoch nicht viel, denn an den Weggablungen gab es keine blauen Pfeile. Die Folge war das ich mich natürlich des Öfteren verlief. Nicht immer waren Leute gerade anwesend die ich fragen konnte. Manchmal war ich der Verzweiflung nahe und fragte mich ob ich  jemals in Porto ankommen würde. Dazu kam noch, dass sich die Landschaft so gut wie nicht mehr veränderte.
In Pontevedra kreischten das erste Mal Möwen über mir. Der Ozean war nicht weit, jedoch nicht in Sicht. In dem Sanktuarium der Virxe Perigrina war eine Abbildung der Maria als Pilgerin zu sehen. Der Grundriss der Kapelle gleicht der Form der Jakobsmuschel. Die Abbildung der pilgernden Maria ist eine der Hauptattraktionen des Weges. Am Abend erreichte ich die etwas außerhalb des Ortes gelegene Herberge. Am Folgetag setzte ich mich gerade auf einen Stein, der von Weinreben umgeben war. Beim Mittagessen bemerkte ich, dass ich mein Messer nicht finden konnte. Ich musste es wohl in der Herberge vergessen haben. Das Messer ist mir jedoch heilig und so beschloss ich umzukehren und nach Pontevedra zurück zu laufen. Wenn man erst mal ein Letherman in Gebrauch hatte will man es nicht mehr missen. Unterwegs vor lauter Aufregung das Messer könnte ein anderer finden versuchte ich einige Male die Herberge anzurufen, jedoch ohne Erfolg. Ich war  froh darüber, dass die Herberge erst um vier Uhr öffnete. Meine Chancen standen also noch gut. Im Eilmarsch legte ich die Strecke zurück und kam nur ein paar Minuten nach vier Uhr an. Ich hatte Glück das Messer lag noch in der Küche.
In der Herberge traf ich auf Bob, der vergebens versuchte an der Rezeption zu bezahlen. Bob war Rentner und aus Amerika. Er besaß nur noch etwas über vier Euro, dafür aber Hundert US Dollar die ihm nichts nützten. Die Herberge kostete fünf Euro. Wechseln konnte er nicht, da  Samstagnachmittag war und die Banken erst wieder am Montag öffneten. Ich gab ihm den fehlenden Euro. Er fühlte sich dadurch aber so schlecht, dass er mir einen US Dollar dafür gab.“ To remeber me“ sagte Bob. Ich erzählte ihm, dass ich das Gummiendstück meines Stockes verloren hatte. Es gab kein Geschäft in dem ich Ersatz kaufen konnte. Das Schicksal meinte es gut mit mir, denn Bob hatte drei als Ersatz dabei. Ich bekam zwei inklusive einer Wärmedecke geschenkt. “Die kann man immer mal brauchen“ wie Bob meinte. Hatte sich der Rückweg also doppelt bezahlt gemacht.
Morgens verabschiedete ich mich von Bob bevor ich weiterzog. Das Stück, bis zu dem Ort, an dem ich am Vortag kehrt machte, bewältigte ich unglaublich schnell. Nur kurz nach dem gestrigen Rastplatz führte der Weg steil auf einem alten Römerweg bergab. Auf dem blanken Fels sah ich deutlich die Kerben der Karrenwagen aus vergangenen Tagen. Bald darauf passierte ich die alte Steinbrücke in Pontesampaio und erreichte am Abend Redondela. Dort steht die erste Herberge die auf dem Caminho Portugues eröffnet wurde. Das Gebäude war ein Steinhaus aus dem 16. Jh.
Am Folgetag lief ich schon früh los. Um die Mittagszeit fand ich mich in Porrino ein. Auf dem Vorplatz einer kleinen Kathedrale wollte ich mich gerade setzten als mein Telefon klingelte. Es war Alfonso der fragte wo ich denn bin. Nur Minuten später holte er mich ab und wir liefen zu seinem Apartment, das er mit Mariana für drei Monate, die sie in Spanien verbrachten, mietete. Die beiden leben seit gut 40 Jahren in der Nähe von Toronto in Kanada und sind auf ihrem alljährlichen Besuch in Spanien. Alfonso bot mir vor einigen Wochen an, dass ich mich bei ihm melden sollte, wenn ich in Porrino bin. Ich war dankbar dafür. Die beiden luden mich zum Essen ein, begleitet mit tollen Pilgergeschichten aus vergangenen Tagen. Zum Abschied bekam ich noch ein Brot aus der Bäckerei der Verwandtschaft inklusive Käse und frisch gepflügte Orangen aus dem Garten seines Cousins. Am Abend war ich also bestens versorgt und so schlief ich kurz vor der Grenze Portugals in einem kleinen Waldstück im Zelt.
Am nächsten Morgen saß ich vorerst zum letzten Mal in einem spanischen Cafe. Kurz darauf, nachdem ich meinen Stempel für das Crendencial  abholte, passierte ich die Internationale Eisenbrücke und befand mich zum ersten Mal auf portugiesischem Boden. Ich wurde gleich mit einer zusätzlichen Stunde durch die Zeitzone beschenkt.
Die portugiesische Sprache in der viel „sch“ vorkommt, hörte sich für mich eher an wie eine aus dem osteuropäischen Raum. Vielleicht Russisch oder Polnisch. Die Menschen sind sehr nett, freundlich und hilfsbereit. Auch reden oder schreien sie nicht so laut, wenn man ihnen gegenüber wie zuvor in Spanien.
Valenca war die erste Stadt nach der Grenze die auch bei den Spaniern beliebt ist, da sie hier günstiger einkaufen können. Die etwas günstigeren Preise kamen ebenfalls meiner Reisekasse zu gute. Die Herbergen kosteten nicht mehr fünf Euro wie  in der Provinz Galizien, sondern drei Euro.
Ich war gerade dabei die „Bombeiros  Voluntarios“ (freiwillige Feuerwehr) zu passieren als mir einfiel, dass es in Portugal möglich ist gegen Vorzeigen des Pilgerausweises in den Mannschaftsräumen zu nächtigen. Es war jedoch noch zu früh um zu bleiben. Ich lief weiter und nahm die neuen Eindrücke auf. Natürlich waren die Sprache und die Schrift ungewohnt und Tag für Tag kam Neues hinzu. So las ich z.B. auf den kleinen Kacheln nicht mehr Perro sondern Cao (Hund). Am zweiten Tag erreichte ich eine schöne Brücke aus dem Mittelalter. Dort erreichte ich den Ort Rubiaes. Eine schöne neue Herberge empfing mich; ich war jedoch der einzige Pilger der sich seine Pasta an dem Herd zubereitete.
Unterwegs wurde ich immer wieder daran erinnert, dass Portugal ein nicht allzu reiches Land ist. So zum Beispiel in kleinen Supermärkten in denen das Sortiment sehr begrenzt war. Selbst das Licht wurde aus Kostengründen ausgeschaltet. Durch manch eine Einrichtung, seien es die Regale, eine alte Kasse oder eine Waage erkannte ich, dass hier die Zeit scheinbar stehen geblieben war. Nach dem letzten aber steilsten Stück des Weges passierte ich das Cruz dos Franceses, ein Wahrzeichen des Weges. Anschließend führte der Weg durch ein grünes Tal. In der Ferne ragte eine große Kirche empor. Das Gebäude selbst war umgeben von Häusern mit roten Ziegeln. Palmen standen zwischen den Weinreben. Es wuchs auch meine Lieblingssorte „Foxtail“ (Fuchsschwanz). Die ersten Triebe der Reben kamen. Citrusbäume wuchsen immer öfters in den Vorgärten und am Wegesrand. Ich bediente mich das eine oder andere Mal. Die ersten grünen Blätter und Blüten waren zu sehen. Es wurde langsam Frühling. An Manchen Orten erzählten die Menschen dass es seit Dezember nicht mehr richtig geregnet hatte. Wenn sich doch mal die Schotten öffneten eben nur für einen kurzen Moment.
Am Nachmittag erreichte ich in Ponte de Lima. Es war noch zu früh um die Sachen in der Herberge abzugeben. Sie öffnete erst um 16 Uhr. Ich lief über die Brücke als ich auf einmal leise Musik wahrnahm. Ich wusste nicht genau woher sie kam. Etwa von der Baustelle vor der Brücke die ich kurz zuvor passierte? Ich bemerkte beim genaueren umschauen, dass sich in den schwarzen verschnörkelten Lampen entlang der Brückenmauer Lautsprecher befanden. Ich lief zu „El Condor pasa“ über die 277 Meter lange Brücke, die sich über den Fluss Lima erstreckte. Selbst in der Stadt entlang der Uferpromenade war die Musik zu hören. Am Abend traf ich zwei deutsche Studenten und ein älteres Paar das schon im Atlas Gebirge in Marokko unterwegs war. „Ich selbst werde dort in einigen Wochen sein“ erzählte ich den beiden als sie von ihren Erlebnissen berichteten. Ich verließ Ponte de Lima am nächsten Morgen unter den riesigen Bäumen der Allee entlang des Flusses.
Der nächste größere Ort war Barcelos, der bekannt ist für eine ähnliche Pilgerlegende  wie in Santo Domingo in Spanien. Sie handelt von einem Hahn. Zu komisch, aber ich kaufte mir eine kleine pilgerfreundliche Version des Hahnes. Heute ist der Hahn ein Wahrzeichen und steht für Portugal.
Am Abend erreichte ich die letzte Herberge auf meinem Weg bis Porto. In Rates traf ich am Abend auf einen älteren Deutschen der mir von seiner Karriere als Musiker erzählte. Er hasste im Endeffekt seinen Job und beendete ihn vor drei Jahren. Auch er war vom Pilgervirus befallen und schon öfters unterwegs. Die Herberge war auch die erste in Portugal und basierte auf Spendenbasis. Am Ende des vorletzten Abends fing es auf einmal an zu regnen. Schnell lief ich etwas abseits des Weges als ich mein Zelt auf einer Rasenfläche aufschlug. Als ich nun im trockenen saß ertönte über mir ein ohrenbetäubendes Geräusch. Als ich aus dem Zelt lugte bestätigte sich mein Verdacht. Ich zeltete genau in der Einflugschneise des Flughafens von Porto. Nach 22 Uhr flogen jedoch fast keine Flieger mehr und ich konnte gut einschlafen. Der letzte Tag lag nun vor mir. Mein Weg führte mich entlang des Meeres nach Porto. Auf einem Holzsteg lief ich mit etlichen anderen Menschen. Hier traf ich auch auf einen Pilger. Er war der erste den ich traf der von Lissabon aus gestartet war. Die Erzählungen vom Weg durch Industriegebiete und Dörfer auf Teerstraßen begeisterten mich nicht wirklich. Er erzählte mir auch etwas von einem Ort namens Fatima. Ich wusste nicht was er damit meinte. Am Abend gegen sechs Uhr erreichte ich nun Porto. Ich wollte mein Glück erst bei der Feuerwehr versuchen. Ich durfte mich aber dort erst ab 9 Uhr aufhalten und so schaute ich mir die Stadt etwas genauer an. Es war der bisher größte Ort mit 300.000 Einwohnern. Am Abend traf ich auf einen Pilger aus der Ukraine. Er begann mit seinen Weg  hier und lief bis nach Santiago. Etliche Männer hatte auch Bereitschaftsdienst und schliefen ebenfalls in dem Raum. Auf zwei Etagen verteilt standen mehrere Einzelbetten. Die Pilger schliefen oben. Über eine eiserne Treppe, die bei jedem Schritt quietschte, gelangte man nach oben. Am Abend schlief ich gut ein, ich wurde nur einmal wach als das orangene Fogo aufleuchtete. Ein Fehlalarm. Doch kein Feuer.




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